Wissenschaft kontra Falknerei?
In feudalen Zeiten war die Falknerei eine Domäne des Adels, daher war sie so gut wie unantastbar. Schließlich führte nur der zu große finanzielle Aufwand am Anfang der Industriellen Revolution zu deren Niedergang.
Weite Gebiete Mitteleuropas waren bis in die Zwischenkriegsjahre des 20. Jahrhunderts ohne Falknerei. Das hat sich im Deutschland der 20er-Jahre geändert. Nach einigen Jahrzehnten individueller Versuche wurde es die Falknerei durch die Gründung des Deutschen Falkenorden am Europäischen Kontinent zu neuem Leben erweckt. Viele Länder hatten in Deutschland ein Beispiel und konnten die falknerische Tätigkeiten neu entstehen lassen. Diesmal aber nicht als unantastbares Vergnügen der herrschenden Klasse, sondern als eine normale, wenn auch seltene Tätigkeit des einfachen Bürgers. Aus diesem Grund ist die „neue” Falknerei von jeder Seite aus anfechtbar und muss sich tatsächlich vielen Angriffen von außen stellen.
Die Wissenschaft begleitet die Falknerei seit dem Mittelalter. Die Hauptrolle spielte hier der berühmte Falkenkaiser Friedrich II. von Hohenstaufen, reichlich unterstützt durch Gelehrte an seinem Hof und ganz besonders durch seinen Sohn Manfred.
Das Resultat war bahnbrechend. Das entstandene Werk „De arte venandi cum avibus” war nicht nur ein glänzendes Werk über Falknerei, sondern gleichzeitig auch ein bedeutendes biologisches Werk mit Ansätzen der Ethologie und ein Vorläufer der Didaktik.
Wenn auch Falknerei und Wissenschaft später getrennte Wege gingen, kann kein seriöser Wissenschaftler leugnen, dass Falkner die ersten Greifvögelkenner und Verhaltensforscher waren.
Im Laufe der Zeit erschienen mehrere falknerische Fachbücher. Nach dem 18. Jahrhundert kam es schließlich zu den nächsten wissenschaftlichen Abhandlungen rund um die Falknerei, die in der Mitte des 19. Jahrhunderts Schlegels und Wulwerhorsts Werk „Traitè de Fauconnerie”.
Erst nach der Wiedergeburt der Falknerei konnte diese wieder ins Visier von Wissenschaftlern treten. Die Reaktionen waren damals eher positiv. Es gab so gut wie keine Konflikte auf dem Gebiet des Greifvogelschutzes, ja, es gab sogar damals noch keine Greifvögel, die wurden als Raubvögel geführt.
Die Stellung der Öffentlichkeit zu dieser Vogelgruppe war negativ. Taubenzüchter stellten den Wanderfalken nach und der Habicht war nicht nur der meistgehasste Greifvogel, sondern überhaupt die meistgehasste Vogelart. Habichte wurden als Schädlinge in großen Mengen geschossen oder mit Fangeisen bzw. mit Habichtskörben gefangen und schließlich gnadenlos getötet. Beliebt waren fast dämonisch wirkende ausgestopfte (denn als Präparate konnte man nur die wenigsten bezeichnen!) Exemplare mit drohendem gläsernen Blick und gespreizten Flügeln.
Dazu kam noch die katastrophale Unkenntnis in Bezug auf Greifvögel generell. Infolgedessen wurden Greifvögel von vielen „harmlosen” Arten als Habichte vernichtet, sei es durch Abschuss, zerschossene Horste, Fang durch Fangeisen oder Vergiftung.
Anschließend endeten sie aufgespießt auf einem Pfeil als Symbol des eindeutigen Sieges des zivilisierten Menschen über die primitive wilde Natur, andere schmückten ausgestopft Haushalte und Kneipen.
Die Gründer der zeitgenössischen Falknerei waren auch zivilisierte Menschen, aber von einer anderen Prägung.
Die neue Falknerei hat Intellektuelle ins Leben gerufen, die keinen Drang spürten, die Natur zu besiegen, sondern solche, die sich mit einem tiefen Verständnis und hohem Fachwissen durch das Leben näher zu der Natur bewegen wollten.
Einige davon haben die Wissenschaft durch bemerkenswerte Werke bereichert. „Die Raubvögel Europas” aus dem Jahre 1928 von Fritz Engelmann gilt bis heute als eines der besten Fachbücher über Greifvögel und Eulen. Carl A. Willemsen hat als Übersetzer des Stauferwerks „De arte venandi cum avibus” ins Deutsche „Über die Kunst mit Vögeln zu Jagen” in der Geschichte der Kultur einen festen Platz eingenommen. Heinz-Heinrich Vögele veröffentlichte mit „Falknerei” aus dem Jahre 1931 seine sehr interessante ethnographisch-historische Studie über Falknerei bei den verschiedenen Völkern Europas und Asiens.
Zu diesen Autoren kann man auch etliche weitere sehr fundierte Wissenschaftler zählen, wie Otto Kleinschmidt, Heinz Brüll, Theodor Mebs aber auch Wolfgang Baumgart oder Christian Saar. Wenn wir uns nicht nur auf Nennung von deutschsprachigen Autoren begrenzen wollen, dürfen wir nicht Georgij P. Dementiew, einige angloamerikanische (D. Ratcliffe, T. Cade, R. Kenward, N. Fox), oder französische (J.-F. Terrasse) und spanische (F. R. de la Fuente) Autoren vergessen.
Alle diese Großen, mit dabei auch Nobelpreisträger Konrad Lorenz, obwohl er keine konkreten Schriften direkt die Falknerei betreffend hinterließ, hatten eine korrekte Haltung hinsichtlich der Problematik der Falknerei. Sie sahen es entweder als Kulturgut (Dementiew, Willemsen) oder auch als ein nützliches und ausbaubares Phänomen (Lorenz, Cade, Kennward, Saar, de la Fuente u. a.).
Der Wiederaufbau der innerhalb weniger Jahrzehnte zerstörten Wanderfalkenpopulationen in Europa (Christian Saar) und Nordamerika (Tom Cade und Richard Fyfe) liefert mehr als deutliche Beweise für einen fundierten Zugang der Falknerei zur Lösung dieses weltweiten Problems, obwohl einige orthodoxe „Vogelschützer” davon noch heute nichts wissen wollen und durch fleißige Verbreitung von Desinformation in den wirkungsvollsten Medien teilweise auch sehr erfolgreich dagegen agieren.
Gerade diese Kreise waren höchstens nur fähig, über Falkner zu schimpfen und die ganze Schuld an der Sache auf ihre Schulter zu schieben. Darunter waren auch akademische Obrigkeiten. Falknerei ist eine sehr spezielle Tätigkeit und selbst zwanzig Professorentitel machen keinen zum Fachmann auf diesem Gebiet, so-
lange er oder sie es nicht persönlich durch eigene Erfahrung kennengelernt hat. Denn die Fähigkeit dazu gewinnt man nicht in der Bibliothek, am Schreibtisch oder im Internet, sondern nur durch persönlichen Einsatz.
Ein Musterbeispiel von kritikloser Verbreitung von Unwissenheit findet man im Buch „Gscheite Tiere” von Prof. Ellen Thaler. Im Kapitel „Prägung und Falknerei” präsentiert die Autorin ihre gewaltigen Wissenslücken auf allen Gebieten, die man sich vorstellen kann.
Den berühmten Falkenkaiser des Mittelalters Friedrich II. von Hohen-taufen spricht sie anfangs richtig an, um ihn später familiär als „Fritz” zu benennen und ihn in das Jahr 1700 zu versetzen, als er bereits 450 Jahre tot war. Das gewässerte Fleisch, welches in der Beizjagdpraxis zur Regulierung der Jagdkondition dient und heute keine allgemeine Verwendung mehr findet, erklärte sie als Friedrichs Erfindung, obwohl diese Praxis viel älter ist. Gleichzeitig hat sie dieses gewässerte Fleisch als eine Art Universalmittel „zwar zum Hungern aber nicht total Aushungern” erklärt. Darauf sei die ganze Falknerei aufgestellt. Ja sogar die Jungvögel in Falknerhand sollen damit aufgezogen werden. Als Krönung von allem hat sie sich öffentlich zur Tierquälerei bekannt, indem sie selber Versuche mit solcher Fütterung überwachte. Vermutungen wurden als Tatsachen präsentiert. Mehr Leidenschaft (Hass!) als Wissenschaft.
Gerade dagegen kämpfte der Stauferkaiser vehement mit seinem „Die Dinge darstellen wie sie sind”. Auf die musterhafte Scholastik, die ins tiefste Mittelalter passen würde, hätte „der Fritz” garantiert nicht zustimmend über die Schulter geschaut, wie die Verfasserin es in ihren Zeilen behauptet.
All diese Tierquälerei hätte nicht geschehen müssen, wenn die Frau Professor Falkner und Greifvogelzüchter angesprochen hätte, um die Realität zu erkennen. Damit sind aber die Unwahrheiten auch noch nicht ausgeschöpft. Die Autorin behauptet, sämtliche europäische Greifvögel- und Eulenarten zu züchten gehabt zu haben und dass die falknerischen Beizvögel für die Zucht ungeeignet seien. In der Tat sind bis auf den heutigen Tag nicht alle europäische Arten gezüchtet worden. Die überaus erfolgreichen Zuchten mit falknerisch gehaltenen „unbrauchbaren” Vögeln beweist nur das Gegenteil ihrer Behauptungen.
Zum Schluss nur einige Gedanken über Wissenschaft. Seriöse Wissenschaft bedeutete immer eine Suche nach der Wahrheit. Bei jeder wissenschaftlichen Abhandlung muss ein Autor auch damit rechnen, dass sie auch jemand in die Hände bekommen kann, der mehr von der gegebenen Materie versteht, als er selbst.
Auf die Ethik kann man hier auch nicht verzichten. Aber zurück zum oben Geschilderten: Wissenschaft schafft Wissen. Wissenschaft, benötigt auch eine gewisse Leidenschaft. Aber nicht so eine Leidenschaft, die Leiden schafft. Weder für die Tiere, noch für die Menschen.