Nichts wird mehr am Stammtisch oder in Foren diskutiert, als das richtige Geschoß oder das richtige Kaliber. Leider werden diese dabei häufig gleichgesetzt oder als Synonym verwendet. Für Beide gibt es gesetzliche Vorschriften, diese betreffen Mindestkaliber und die Energie des Geschosses nach 100 Meter Flug. Neu, sind nunmehr die Empfehlungen oder auch gesetzliche Vorgaben zum Geschoßmaterial! Bleifrei, ist deshalb in aller Munde.Aus einer Vielzahl von Rückmeldung und Erkenntnissen zu diesem Material, sind derzeit Bestrebungen zu Gange künftig auf den Patronenpackungen weitere Informationen abzudrucken. Als Empfehlungen sollen, die mit der Patrone bejagbare Wildarten nebst empfohlener maximaler Schußentfernung aufgeführt werden.
Stetig ist der Wandel, Gesetze erlauben uns teilweise den Einsatz von Schalldämpfern, die Nutzung eines erweiterten Arsenals von optisch-elektronischen Hilfsmitteln, wie Vorsatzgeräte mit Wärmebild- oder Nachtsichttechnologie. Wir haben die Planung und Durchführung von Bewegungsjagden auf Schwarzwild perfektioniert. Auch Dank der Informationen aus den Ortungsgeräten unserer dabei eingesetzten Jagdhunde.
Fast hätte ich jetzt geschrieben, bei den Sauen ist aber alles gleichgeblieben.
Nein! Diese intelligente und hoch sozialisierte Wildart, der man früher eine gewisse Ritterlichkeit zu ordnete, hat ebenfalls aufgerüstet. Und dies in mehrfacher Hinsicht! Dank guter Nahrungsquellen. Wie die immer häufiger wiederkehrenden Waldmasten, einen gedeckten Tisch in Form schier unendlicher Maisanbauflächenoder in manchen Revieren der permanenten Vorlage von großen Mengen an Kirrmaterial. Dies und – es muss auf den Punkt gebracht werden – eine falsche Bejagungsstrategie, hat einen Überhang an reproduzierenden Schweinen ergeben. Die Population wächst europaweit! Der Wolf – wo er sich im Schwarzwildrevier angesiedelt hat- und der schon oben erwähnte Hundeeinsatz haben zu umfassenden Anpassungen im Verhalten der Sauen geführt. Sie lassen sich nicht mehr so leicht vor „die Flinte“ bringen. Unsere Jagdhunde werden teils in Schwarzwildgewöhnungsgattern auf ihre gefährliche Arbeit vorbereitet, nurmehr noch mit Schutzwesten und Ortungsgeräten eingesetzt.
Die Art und Weise der Bejagung – entscheidet über das „richtige“ Kaliber!
Lassen Sie mich kurz abschweifen. Als Ausbilder für Jagdwaffen in Theorie und Praxis unseres letzten Jungjägerkurs vor dem Corona Ausbruch habe ich durch den „Buschfunk“ mitgekommen, dass sich an der .308 Win. und .222 Rem. ausgebildete Jungjäger sich schon vor dem letzten Prüfungsteil durch Anzahlung Repetierbüchsen in den Kalibern .300 Win.Mag, 8x 68 S & 9,3×64 gesichert haben. Nach dem Motto „damit hauen wir die Sauen nieder“. Mögen Sie sich dazu Ihre Meinung selbst bilden.
Aber was entscheidet im Detail über das „richtige Kaliber“?
Die Gesetzgebung: Diese entscheidet welches Geschoßmaterial genützt werden darf. D.h. ob sie noch Geschosse mit Blei nutzen dürfen, ob sie schon bleifrei schießen dürfen oder müssen. Das Geschoßmaterial schlägt sich im Geschoßgewicht, aber möglichweise auch in der Schußleistung von Bestandswaffen nieder.Auch Vorgaben wie Mindestkaliber und abzugebende Energie auf 100 Meter sind zu beachten.
Die Wildbretvermarktung: Kommt es ihnen auf den Abzug durch den Ankäufer für durch mit Splitter versetztes Wildbret nicht an, führen sie die Waffe nicht bei Jagdarten mit Hundeeinsatz. Dann können Geschoße mit Aufbau „Zerlegung“ gewählt werden. Wird mit Hunden in der Jagd gerechnet, soll es möglichst keinen Abzug für „Zerschossenes“ geben, so fällt die Wahl auf „Deformationsgeschosse“. Es ist eine Mär, dass dann das Wild „ewig“ läuft. Wie immer kommt es auf den Schuß und Situation an.
Die Jagdart: Der nächtliche Ansitz an der Kirrung und der Schuß auf ruhig stehendes Wild, wie auch bei der Lock- und Pirschjagd stellen einfachere – „niedrigere“ – Anforderungen an das Team, als Bewegungsjagden mit gemächlich an wechselnden Schweinen oder hochflüchtig getriebenen. Bei Letzteren ist in Abhängigkeit der Schußentfernung das Vorhaltemaß wichtig.Hier kann ein schnelles Kaliber von Vorteil sein, da das Vorhaltemaß geringer ausfällt. Wird nur zu Hause auf Schwarzwild oder doch regelmäßig auf diese Wildart in Ungarn, auf dem Balkan, in Russland oder in der Türkei gewaidwerkt? Umso eher treffen Sie auf schweres und kapitales Schwarzwild.Ebenso spielt die mögliche Schußentfernung eine Rolle. Tagsüber kann sicherlich weiter geschossen werden, als im letzten Büchsenlicht an der Wildschadensfläche oder Feldmark.
Die Zusammensetzung der Strecke (Wunsch oder Wirklichkeit): Träumen wir „nicht alle“ vom Lebenskeiler? Doch wie oft fällt dieser? Nicht umsonst heißt erja Lebenskeiler. Einen deutlich größeren Streckenanteil werden (sollten) Frischlinge und Überläufer haben. Nach genauem Ansprechen bei Einzeljagd wird auch die eine oder andere nicht-„mehr“-führende Zuwachsträgerin erlegt werden.
Der Waffentyp: Einerseits Geschmackssache, aber auch Tradition und gelebte Jagdpraxis. Für die Jagd an der Kirrung, Ansitz und Pirsch empfiehlt sich eine Kombinierte Waffe. Vor allem, wenn auch Fuchs, Waschbär, Marderhund oder mal eine Taube gelegentlich „mitgenommen“ werden soll. Die Königin der Drückjagdwaffen ist sicherlich nach wie vor eine Bock- oder Doppelbüchse. Früher galt für Kipplaufwaffen nur Randkaliber zu wählen. Dies war sicherlich richtig. Aber heute ermöglichen technische Lösungen ebenfalls den Einsatzvon randlosen Hülsen. Repetierbüchsen, Selbstladebüchsen sind bei allen Jagdarten einsetzbar.
Das Team:Denn die Waffenart, das Gewicht der Waffe, die Montage und die Optik müssenmit dem gewählten Kaliber harmonieren. Außerdem solltedie Waffe mit der gewählten Laborierung (Geschoß) den geringst möglich erzielbaren Streukreis ergeben.Notfalls sind dazu verschiedene Laborierungen und Geschoße (Material, Aufbau) auf dem Schießstand Probe zu schießen. Die Zieloptik muss ebenfalls zur Jagdart passen. Ist das Team technisch auf dem Optimum, so liegt der Rest am„Steuermann“. Dieser sollte sich seiner Verantwortung für den Schuß bewusst zu sein und mit der gewählten Kombination ein bestmögliches Trefferbild erzielen.
Einige Beispiele sollen „Das Team“ verdeutlichen:
Superleichte Ferlacherin, Bockbüchsflinte edelster Bauart, Kugelkaliber 9,3×74 R und Schrot 20/76. ZF aus dem mittleren Bereich (Objektivdurchmesser 48 mm). Die Waffe schlägt bei Schußabgabe wie ein Noriker aus, der Schütze fängt das Mucken an. Folge schlechtes Treffen oder gar Fehlschüsse.
Schwerer Stahldrilling, Kugelkaliber 8×57 IRS, Kleine Kugel Hornet (für den Fuchs…) und Schrot 12/76, ZF mit großem Objektivdurchmesser (56 mm). Ideal für Ansitz und Kirrung, möglicherweise zu schwer für die Pirsch.
Geradezugrepetierbüchse, Holzschaft, stärke Laufkontur, Kugelkaliber .308 Win., ZF mit großem Zoombereich. Ideal für alle Jagdarten, jedoch nicht für Weitschüsse….
Repetierbüchse leicht, Kunststoffschaft, Kugelkaliber .300 Win.Mag. / .338 LapuaMag., ZF mit großem Zoombereich, Achtung vielleicht ist möglicherweise der Steuermann, dass schwächste Glied im Team! Tipp, vor einer solchen Kaufentscheidung mehrere Schachteln Munition auf dem Schießstand oder im Schießkino verfeuern. Nicht wählen, wenn im Waldrevier nur auf Frischlinge und Überläufer gejagt wird. Eher für Auslandsjagd bei Tageslicht und wenn weiter geschossen wird.
Repetierbüchse, Schlagbolzensicherung, kurzer Lauf mit offener Visierung, Kaliber 8×57 IS, vielleicht noch mit Aimpoint oder Rotlichtvisier ausgestattet. Ideal für Hundeführer bei Bewegungsjagd und Nachsuche.
Meine persönlichen Favoritenin Kaliber und Laborierung:
.308 Win.
Geschoßgewichte zwischen 11 und 13 Gramm mit Geschossen (bleihaltig) SAKO HAMMERHEAD, LAPUA MEGA, dagegen sind im bleifreien Bereich die Geschoße leichter. Zwischen 9,7 bis 11 Gramm liegen RWS HIT Shortbarrel und LAPUA Naturalis.
8×57 IS/IRS
In der IS-Version BLASER CDP mit 12,7 Gramm (bleihaltig). Bleifreie Laborierungen zwischen 10,4 und 11,7 Gramm, diese teilweise als IS oder IRS. SAKO Barnes TTSX, RWS HIT, BLASER CDC, LAPUA Naturalis.
9,3×62
Früher führte ich Laborierungen mit Bleigeschossen, wie NORMA PPC (jetzt Vulkan) mit 15 Gramm und mit 18,5 Gramm SAKO HAMMERHEAD, LAPUA MEGA und BLASER CDP. Die dann genutzten bleifreien „Patronen“ lagen alle bei 16,2 Gramm, wie SAKO Barnes TTSX, BLASER CDC und LAPUA Naturalis.
9,3×74 R
Auch hier anfänglich NORMA PPC (Vulkan) mit 15 Gramm, später den Teilzerleger Brenneke TUG nature mit 14,2 Gramm und als Deformationsgeschoß BLASER CDC in 16,2 Gramm.
Zusammenfassend gilt für mich aus den bisherigen eigenen Erfahrungen und aus Beobachtungen anderer, wenn das TEAM passt – geht alles gut. Die Wahl eines Kalibers im dargestellten mittleren Bereich, mit der passenden Waffe kombiniert stellt für mich die erste Wahl dar. Für den Sonderfall Auslandsjagden, egal ob Bewegungsjagd, dem Balkankeiler im Hafer bei Vollmond oder Pirschjagd in Osteuropa, stellen 9,3 mm aufwärts oder eine schnelle und starke .30/.338 sicherlich Optionen dar. Wenn, es der Steuernde physisch und psychisch verkraftet. Deshalb gilt es in diesen Fällen vor der Kaufentscheidung erst einmal einen Schießstandcheck durchzuführen, ob das Team eine Zukunft hat.
Autor: Michael Tandler